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Beitrag vom 24.06.2011
Jill Abramson wird erste Chefredakteurin der New York Times
Britta Meyer
Die "New York Times" bekommt eine neue Leitung – und zum ersten Mal seit ihrer Gründung vor 160 Jahren übernimmt eine Frau den Sessel der Chefredaktion. Ist das ein Grund zum Feiern?
Auf jeden Fall.
Es ist offiziell: Jill Abramson wird im September 2011 den bisherigen Chef Bill Keller in seinem Amt ablösen und die erste Leiterin der einflussreichsten Tageszeitung der USA werden.
Abramson, die als hochkarätige Investigationsreporterin und Fachfrau für Online-Journalismus gilt, ist erklärte Feministin, geborene New Yorkerin (19. März 1954) und (Co-)Autorin mehrerer Reportagen, wie "Where They Are Now: The Story of the Women of Harvard Law 1974" (1986) über den ersten Jura-Jahrgang Harvards, der zu mehr als zehn Prozent aus Frauen bestand, "Strange Justice: The Selling of Clarence Thomas" (1994) und "Obama: The Historic Journey" (2009). 1988 veröffentlichte sie einen Artikel über Peggy Kerr und Nancy Lieberman, die beiden ersten Anwältinnen, die es geschafft hatten, sich in der New Yorker Kanzlei "Skadden Arps" den Posten von Partnerinnen zu erkämpfen. Als der Lewinsky-Skandal hochkochte, setzte sie sich respektvoll aber kritisch mit der Rolle Hillary Clintons auseinander, deren öffentliche Beliebtheit merklich anstieg, als sie sich mit zusammen gebissenen Zähnen an die Seite ihres Mannes stellte. Welches Vorbild und welches Verständnis von Ehe und Familie, fragte Abramson 1998, wird hier jungen Frauen geboten? 1997 kam Abramson zur "NY Times", nachdem sie zehn Jahre lang für das "Wall Street Journal" geschrieben hatte. Seit 2009 war sie Stellvertreterin des bisherigen Chefredakteurs Bill Keller. Wie die Tagesschau am berichtete, wurde die New York Times wurde in ihrer jüdischen Familie in Manhattan, wo sie aufwuchs, angebetet und habe sogar "anstelle der Religion gestanden". Jill Abramson ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.
Die "Graue Dame" – mächtig und männlich
Die "New York Times Company" besitzt 18 Zeitungen, darunter die "International Herald Tribune" und den "Boston Globe". Die von New YorkerInnen auch liebevoll "the Gray Lady" genannte Zeitung, hat zwar den Ruf, eine der renommiertesten Tageszeitungen der USA zu sein, doch nachdem ein Skandal um die Plagiate eines Reporters das Ansehen des Blattes im Jahr 2003 schwer beschädigte, rangiert sie nur auf Platz Drei der auflagenstärksten Zeitungen der Vereinigten Staaten. Die wöchentliche Auflage beträgt nur noch rund 880.000 Exemplare, auch wenn sie sonntags mittels verschiedener Beilagen auf 1,3 Millionen kommt. Rund 200 JournalistInnen wurden in den vergangenen fünf Jahren entlassen. Trotzdem verfügt die nach "USA Today" und "Wall Street Journal" drittgrößte Tageszeitung der Vereinigten Staaten mit ihren rund 1.150 MitarbeiterInnen immer noch über einen gewaltigen Redaktionsapparat.
Für die Zukunft kündigte Abramson an, sie wolle die Effizienz der Zeitung steigern, Print und Online enger miteinander vernetzen und "NYTimes.com" zu einer eigenständigen Internetgemeinschaft machen. Sie sorgte zudem dafür, dass die von der Finanzkrise stark geschädigte Zeitung als erstes Blatt ein Bezahlsystem für Online-Artikel einführte – offenbar mit beachtlichem Erfolg: Die Website der Zeitung erreicht inzwischen mehr als 30 Millionen LeserInnen pro Woche und ist damit die größte Internetpräsenz einer US-Amerikanischen Zeitung.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1851 hatte die "NY Times" niemals eine Frau an ihrer Spitze. Abramson wird ab September 2011 die einzige Chefin in den Redaktionen der zehn größten Tageszeitungen der USA sein. In Deutschland sieht es nicht besser aus: der Stern, der SPIEGEL, die Frankfurter Allgemeine, das Handelsblatt, die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, die Financial Times, die Welt, der Fokus, das Hamburger Abendblatt, der Tagesspiegel, die BILD und die ZEIT, sie alle haben männliche Chefs. Nur die TAZ hat Ines Pohl.
Go, Jill - wir brauchen mehr weibliche Vorbilder!
Weitere Infos unter: www.nytimes.com und http://topics.nytimes.com